Interview mit Dr. Philipp Altmann
Studium der Chemie (B.Sc. und M.Sc.) an der TUM
Promotion in Chemie im Februar 2018 bei Prof. Roland Fischer – Lehrstuhl für Anorganische und Metallorganische Chemie
Arbeitgeber: WACKER Chemie AG
Die Wacker Chemie AG ist ein weltweit tätiges Unternehmen mit hoch entwickelten chemischen Spezialprodukten, die sich in unzähligen Dingen des täglichen Lebens wiederfinden. Das Unternehmen gliedert sich in die vier Geschäftsbereiche POLYSILICON, SILICONES, POLYMERS und BIOSOLUTIONS. Die wichtigsten Abnehmerbranchen sind die Automobil-, Bau-, Chemie- Halbleiter-, Konsumgüter-, Medizintechnik-, Pharma- und Photovoltaikindustrie.
Lieber Philipp, vielen Dank, dass du dir für ein paar Fragen zu deinem Studium der Chemie an der TUM und deine nachfolgende Karriere Zeit genommen hast!
Warum hast du dich für das Chemiestudium entschieden?
Ich hatte in der Schule Leistungskurs Chemie und habe nach dem Abitur meinen Wehrdienst absolviert. Entsprechend hatte ich ein Jahr Bedenkzeit, die mir geholfen hat zu reflektieren und zu erkennen, dass Naturwissenschaft etwas wäre, das mir gefallen könnte. Ich hatte das Glück, dass ein ehemaliger Schulkamerad bereits Chemie an der TU München studierte und diesen habe ich dann regelmäßig interviewt, wie das Chemiestudium an der TUM so ist. Er war sehr zufrieden und insofern habe ich dann ein Jahr nach ihm auch mit dem Studium an der TUM begonnen. Außerdem war ich während meiner Schulzeit auf einem Tag der offenen Tür in Garching und war vom Campus der TUM sehr beeindruckt.
Könntest du deinen bisherigen Studien- bzw. Berufsweg erläutern?
2009 habe ich mit dem Chemiestudium begonnen und habe während des 5. Semesters ein Praktikum bei WACKER in Burghausen gemacht. Danach folgte die Bachelorarbeit im Jahr 2012 am Lehrstuhl von Prof. Wolfgang Herrmann, dem damaligen Präsidenten der TUM, in der Anorganischen Chemie. Im Anschluss bin ich direkt in den Master eingestiegen und habe aufgrund meiner vorherigen (positiven) Erfahrungen aus der Bachelorarbeit, sowie meiner Hilfswissenschaftler-Tätigkeit bei Prof. Herrmann das Hauptfach Anorganische Chemie und das Nebenfach Organische Chemie gewählt. Meine Forschungspraktika habe ich bei Dr. Markus Drees in der theoretischen Chemie, sowie in der anorganischen Chemie bei Dr. habil. Alexander Pöthig durchgeführt. Beide Praktika waren für meinen weiteren Studienweg wegweisend. In der organischen Chemie habe ich bei Prof. Thorsten Bach ein Forschungspraktikum im Bereich der Totalsynthese absolviert. Meine Masterarbeit habe ich schließlich am Arbeitskreis von Prof. Wolfgang Herrmann angefertigt. Während meines Masters konnte ich noch einen Forschungsaufenthalt in Saudi-Arabien an der König-Abdullah-Universität für Wissenschaft und Technologie durchführen. 2014 habe ich mein Studium dann solide abgeschlossen.
(Anmerkung des Interviewers: Dr. Philipp Altmann hat nicht nur „solide“ sein Studium abgeschlossen, sondern zählte in seinem Jahrgang zu den allerbesten und wurde mit dem Jürgen Manchot Studienpreis für seine hervorragenden Studienleistungen im Master Chemie ausgezeichnet).
Anfang 2015 habe ich dann meine Promotion bei Dr. habil. Alexander Pöthig, der eine Untergruppe bei Prof. Roland Fischer leitet, begonnen. Das Thema ging sehr schnell in eine Richtung, die mir sehr gefallen hat: Makrozyklische NHC-Komplexe und deren supramolekularen Anwendungen. Es wurde ein sehr erfolgreiches Thema mit zahlreichen Publikationen. Während meiner Zeit am Lehrstuhl war ich auf einigen nationalen und internationalen Tagungen und Konferenzen. Etwa zu Halbzeit der Promotion absolvierte ich einen 3-monatigen Forschungsaufenthalt an der Universität Edinburgh bei Prof. Polly Arnold und Prof. Jason Love. Solche Forschungsaufenthalte kann ich jedem nur empfehlen, um etwas über den Tellerrand zu blicken!
Nach der Promotion (Anfang 2018) bin ich dann direkt mit einem Job in der Chemieindustrie im Großraum München gestartet.
Welche Veranstaltung(en) im Studium haben dich besonders geprägt?
Die Praktika waren für mich besonders prägend und haben immer am meisten Eindruck hinterlassen. Es gibt keines, das ich besonders hervorheben möchte, aber die Grundpraktika im ersten Jahr waren definitiv Augenöffner und haben mir gezeigt, dass ich im Chemiestudium weitermachen will. Wichtig war auch das Praktikum zur organischen Chemie im 4. Semester. In diesem Praktikum hat man spätestens gemerkt: „Bin ich hier eigentlich richtig?“ Gottseidank haben mir diese Praktika immer sehr viel Spaß gemacht. Im Master waren dann die Forschungspraktika die Highlights.
Wie war für dich der Übergang von Universität zum Berufsleben?
Ich kannte vor meinem Start bereits einen früheren Lehrstuhl-Kollegen in meiner ehemaligen Firma und insofern war der Übergang tatsächlich nicht so dramatisch, da ich im Vorfeld schon einige Informationen abfragen konnte. Generell hat man eine andere Arbeitsstruktur verglichen mit der Promotion. In einer Firma gibt es üblicherweise Projekte und klare Zeitpläne – d.h. alles ist wesentlich strukturierter als in der Promotion. In der Promotion ist man quasi sein eigener Projektmanager und das ändert sich natürlich rapide, wenn man in einem Job in der Chemieindustrie als Teil eines großen Rades arbeitet. Auch die Größenverhältnisse ändern sich, von Milligramm-Maßstäben in der Promotion zu Tonnen-Maßstäben in der Industrie.
Wie ist deine aktuelle Berufsbezeichnung bzw. dein Jobtitel?
Auf meiner Visitenkarte steht „Manager Services Research & Development“, allerdings ist das relativ nichtssagend. Ich würde es als „Arbeitsgruppenleiter Analytik im Bereich Corporate Research and Development“ bei WACKER bezeichnen.
Was sind deine Aufgaben und wie sieht dein typischer Arbeitstag aus?
Ich bin typischerweise zwischen halb 8 und 8 im Büro. Ich nutze die Zeit bis ca. 9 Uhr, um meinen Tag zu strukturieren, vorzubereiten und ggf. Emails zu bearbeiten. Als Gruppenleiter in der Analytik habe ich kaum eigene Projekte, bin aber an zahlreichen WACKER-Forschungsprojekten involviert, welche spezielle analytische Fragestellungen beinhalten. Als Arbeitsgruppenleiter bin ich unter anderem dafür verantwortlich, die Analysen mit den forschenden Arbeitskreisen abzustimmen und wo nötig die Ergebnisse zu erläutern und diskutieren. Fast jede Probe ist in der Grundlagenforschung anders als die Vorherige. Das gestaltet die Arbeit für mein Team und mich stets herausfordernd, aber sehr spannend. Ein Großteil meiner Arbeit besteht aus Gesprächen mit meinem Team im Labor, um Aufgaben und Ergebnisse zu diskutieren, neue Methoden zu testen und etablieren, sowie ggf. auftretende Probleme zu lösen. Meine Tätigkeit kurz zusammengefasst würde ich so beschreiben: Die analytische Betreuung und Beratung der forschenden Fachbereiche der zentralen WACKER-Forschung in München.
Was gefällt dir an deinem Job besonders gut?
Wie schon erwähnt, bekommen mein Team und ich immer wieder neue Aufgaben und Herausforderungen. Diese Abwechslung finde ich sehr spannend. Ich mag außerdem den „Dienstleistungscharakter“ der Analytik mit dem Ziel, die Projekte meiner Kolleginnen und Kollegen mit dem bestmöglichen Beitrag zu unterstützen. Mich hat Analytik schon immer interessiert, ich habe aber auch gemerkt, dass reine Qualitätskontrolle mit seinen regulierten und repetitiven Arbeitsabläufen für mich persönlich (aktuell) nicht ganz so passend ist. Da ich sowohl Forschung als auch und Analytik sehr schätze, bin ich im Bereich der Forschungsanalytik bei WACKER in einem perfekten Job gelandet.
Was zeichnet für dich einen guten Wissenschaftler aus?
Meiner Meinung nach gibt es darauf nicht die eine richtige Antwort. Ich habe mit vielen sehr guten Wissenschaftlern inner- und außerhalb der TUM zusammengearbeitet und jeder hatte eine ganz eigene Einstellung zu gewissen Themen. Persönlich denke ich aber, dass die wissenschaftliche Neugier unglaublich wichtig ist. Warum wird man sonst Wissenschaftler? Man will Dingen auf den Grund gehen. Dazu muss man beharrlich sein und mit einem kritischen Denken ausgestattet sein. Die Kombination aus Neugier und kritischem Denken hat mich in meiner Forschung immer vorangebracht. Andere wichtige Faktoren sind Zeitmanagement und Kommunikationsfähigkeit.
Welche Kenntnisse und Fähigkeiten, die du heute im Job benötigst, hast du im Studium/deiner Promotion an der TUM erworben?
Ein Punkt ist auf jeden Fall die Frustrationstoleranz. Man merkt im Studium, vor allem aber während der Promotion, dass Dinge oft nicht so funktionieren, wie man sich das vorstellt oder deutlich länger dauern. Projektmanagement ist auch eine Kompetenz, die man spätestens während seiner Doktorarbeit erwirbt. Im Beruf ist das zwar etwas professionalisierter, aber im Grunde ist es so, dass man im Studium immer wieder vor Aufgaben/Projekte gestellt wird, die man selbst managen muss. Das Managen von Projekten wird man später im Beruf immer wieder machen müssen. Dabei habe ich auch gelernt, wie man Aufgaben priorisiert. Zum Beispiel hatte ich im ersten Jahr meiner Promotion unglaublich viele Ideen und bekam bald das Gefühl, dass ich all diese Projekte unmöglich in einem realistischen Zeitraum durchführen kann. An der Stelle hatte ich aber auch das Glück, einen guten Betreuer zu haben, der mich bei der Priorisierung unterstützt und auf besonders wichtige und wissenschaftlich interessante Themen hingewiesen hat.
Was würdest du unseren Studierenden raten, die den Einstieg in den Beruf noch vor sich haben?
Was ich auf jeden Fall empfehlen kann, ist schon während der Promotion an berufsbegleitenden Events teilzunehmen. Hier möchte ich auch Werbung für das Alpenforum des Jungchemikerforums machen, an dem ich sowohl als Teilnehmer, sowie später als Referent teilgenommen habe (https://jcf.io/muenchen/alpenforum).
Für mich war dies eins der wertvollsten Events, das mir gezeigt hat, dass da „ganz normale“ Leute ihren Weg gefunden haben. Es war außerdem sehr interessant, persönliche Geschichten und Karrierewege der einzelnen Referenten zu hören.
Außerdem ergibt es Sinn, mit ehemaligen Doktoranden des Lehrstuhls in Kontakt zu treten, die bereits einen Job außerhalb der Universität gefunden haben, um sich über Erfahrungen und Perspektiven auszutauschen. Vor allem sollte man sich selbst die Frage stellen: „Was will ich eigentlich wirklich machen? Was macht mir Spaß?“ Hier muss man meiner Meinung nach ehrlich zu sich selbst sein und nicht einfach nur das machen, was andere vielleicht machen, aber nicht zu einem persönlich passt.
Würdest du dich wieder für ein Chemiestudium an der TUM entscheiden und – wenn ja – warum?
Ja. Die Anzahl der Fachrichtungen und die Möglichkeiten an der TUM sind enorm groß. Der Campus ist extrem gewachsen und verändert sich stetig. Die außerfachlichen Weiterbildungsmöglichkeiten, die die TUM bietet, sind großartig, man lernt sie leider aber oft erst nach dem Studium zu schätzen.
Könntest du bitte folgenden Satz vervollständigen: „Das Chemiestudium an der TUM hat mir…“
… die Welt der Chemie mit all ihren Facetten offenbart und viele Freundschaften für das Leben beschert.
Lieber Philipp, vielen Dank für das schöne Interview!