Interview mit Dr. Eva-Maria Esslinger (in German)

Studium der Chemie (B.Sc. und M.Sc.) an der TUM

Promotion in Chemie (2022) bei Prof. Fritz Kühn – Professur für Molekulare Katalyse 

Arbeitgeber: (BCG Baden-Baden Cosmetics Group GmbH)

BCG Baden-Baden Cosmetics Group GmbH ist ein Multi-Beauty-Spezialist und kreiert und vermarktet seit über 80 Jahren Hautpflege-Marken und deckt dabei die Spanne von Hochleistungspflege, veganger Natrue®-zertifizierter Naturkosmetik bis hin zu Innovationen im Retail ab. (Entnommen von: https://www.bcg-cosmetics.com)

 

Liebe Eva-Maria, vielen Dank, dass du dir für ein paar Fragen zu deinem Studium der Chemie an der TUM und deine nachfolgende Karriere Zeit genommen hast!

Warum hast du dich für das Chemiestudium entschieden?

Mein Interesse für die Naturwissenschaften habe ich zum einen in der Schule entwickelt, zum anderen hatte ich eine familiäre Prägung. An der Chemie hat mich zusätzlich die praktische Seite interessiert. Die Chemie ist sehr visuell und man kann Änderungen bei Experimenten direkt beobachten.  

Könntest du deinen bisherigen Studien- bzw. Berufsweg erläutern?

Mein Bachelorstudium an der TUM im Fach Chemie habe ich 2012 begonnen und 2015 abgeschlossen. Direkt danach habe ich mein Masterstudium angeschlossen und 2017 erfolgreich beendet. Meine Studienschwerpunkte im Master waren Organische und Biologische Chemie. Die organische Chemie, mit ihren unterschiedlichen Synthesewegen empfand ich schon immer als sehr spannend und ich mochte die praktische Arbeit. Die Biologie war bereits während meiner Schulzeit eines meiner Lieblingsfächer und deshalb habe ich mich im Master für diesen Studienschwerpunkt entschieden. 

Meine Masterarbeit habe ich dann an der LMU bei Prof. Henry Dube durchgeführt. Für meine Doktorarbeit bin ich dann wieder an die TUM zurückgekehrt und habe dort bei Prof. Kühn im Bereich der Aktivierung und Anwendung sauerstoffhaltiger Spezies von 2018 bis 2022 promoviert. Außerdem war ein Teil meiner Dissertation die Oxidationskatalyse mit eisenhaltigen Verbindungen.  

Wie war für dich der Übergang von Universität zum Berufsleben?

Teilweise musste ich mich daran gewöhnen, Informationen zu meiner Forschung relativ einfach und reduziert darzustellen. An der Universität ist man es gewohnt auf jedes einzelne Detail akribisch zu achten bzw. es zu erwähnen, was für eine prägnante Vorstellung von wissenschaftlichen Ergebnissen nicht immer notwendig ist. Im Berufsleben musste ich  einen neuen Stil annehmen und mich in meinen Präsentationen kürzer fassen. Der Sprung vom rein akademischen Umfeld in die Industrie ist extrem, aber man gewöhnt sich durchaus schnell daran.

Wie ist deine aktuelle Berufsbezeichnung bzw. dein Jobtitel?

Ursprünglich habe ich an einem Einstiegsprogramm teilgenommen, in dem ich unterschiedliche Stationen des Science Bereichs kennenlernen durfte. Am Ende bin ich dann beim Geschäftsbereich R&D (Research & Development) gelandet. In der Forschung und Entwicklung arbeite ich aktuell als Projektmanagerin F&E und verantworte dort die Entwicklung der Naturkosmetikmarken Bio:Vegane und Apotheker Dr. Scheller.

Was sind deine Aufgaben und wie sieht dein typischer Arbeitstag aus?

Meine Arbeit ist sehr abwechslungsreich und insofern habe ich keinen typischen Arbeitstag, der sich immer wiederholt. Allerdings gibt es Prozesse, die immer wieder von Fall zu Fall durchlaufen werden. Beispielsweise arbeite ich eng mit dem Marketing zusammen, welches die Produktidee entwickelt. Mit der Regulatorik zusammen wird schließlich die Machbarkeit der Idee beurteilt. Darüber hinaus habe ich auch viele Berührungspunkte mit der Qualitätssicherung, der Produktion und dem Einkauf. Dann startet die Entwicklungsarbeit für das neue Produkt im Labor mit klaren Deadlines bis zum Produktlaunch.  

Der Job ist in Formelkonzeption und Formelexekutive aufgeteilt. Als Formelentwicklerin stehe ich teilweise noch selbst im Labor, aber die meisten Rezepturen werden hauptsächlich von Mitarbeitenden aus der Formelexekutive „gerührt“. Während des Juniorprogramms in der F&E stand ich tatsächlich jeden Tag im Labor, um mich an die Kosmetikchemie heranzutasten und habe in der Zeit einige Versuchsreihen durchgeführt. Am Ende ist dann schließlich auch die ein oder andere Basisformulierung für weitere Entwicklungen entstanden. Außerdem stehe ich in Kontakt mit Rohstofflieferanten und koordiniere Meetings, Labor-Workshops und Webinare mit Lieferanten für die F&E.

Was gefällt dir an deinem Job besonders gut?

Die Nähe zum Produkt! Wenn ich ein neues Produkt hergestellt habe – beispielsweise eine Creme – kann ich diese direkt selbst auf der Haut testen. In erster Linie testet das Marketing und gibt das „Go“. Wir passen nach deren Briefing an., aber auch ich habe natürlich ein Mitspracherecht. Es ist sehr spannend, Produkte von Beginn an zu begleiten. Von der Idee und Entwicklung bis hin, wenn sie dann in den Regalen unserer Handelspartner stehen. Das macht mich schon stolz. Ich habe immer etwas gesucht, dass Kreativität, Ästhetik und Wissenschaft miteinander verbindet und dies habe ich in der Kosmetikbranche für mich gefunden. 

Welche Kenntnisse und Fähigkeiten, die du heute im Job benötigst, hast du im

Studium/deiner Promotion an der TUM erworben?

Auf jeden Fall das strukturierte Denken. Man ist im Studium (und der Promotion) ständig damit beschäftigt seine Ergebnisse zu verargumentieren und logische Schlüsse zu ziehen. Auch in Prüfungen muss man als Student/in prägnante Lösungen und Ergebnisse wiedergeben. Da hilft eine strukturierte und problem-/lösungsorientierte Vorgehensweise. 

Außerdem benötigt man im Studium und der Promotion eine große Portion Durchhaltevermögen, Fleiß und Disziplin. Diese erworbenen Fähigkeiten und Eigenschaften sind später sehr hilfreich, um komplexe Probleme zu lösen. Intellektuelle Fähigkeiten und Begabung allein sind da oft nicht ausreichend. Man benötigt in der Berufswelt unterschiedlichste Fähigkeiten, insbesondere  im Bereich der Kommunikation. Wie kommuniziere ich meine Ergebnisse so, dass sie für das gesamte Team allgemein verständlich sind.

Ich kann mich sehr glücklich schätzen, dass ich ein Fach studieren konnte, indem viele dieser Fähigkeiten - mal direkter, mal indirekter - vermittelt wurden. 

Welche Veranstaltung(en) im Studium haben dich besonders geprägt?

Mir haben insbesondere die Praktika gefallen. Nur die Theorie ohne Laborarbeit hätte mich nicht erfüllt. Speziell die Praktika in der organischen Chemie mit aufwendigen Glasapparaturen empfand ich als fordernd, aber unglaublich lehrreich und spannend. Die praktische Arbeit war enorm wertvoll im Studium und ist auch jetzt noch sehr bedeutend für meine aktuelle berufliche Tätigkeit. 

Was zeichnet für dich einen guten Wissenschaftler aus?

Für mich persönlich spielt die Vermittlung von Wissen eine besonders wichtige Rolle. Ich habe geniale Wissenschaftler kennengelernt, die allerdings ihr Wissen nicht gut vermitteln konnten. Insofern sind wir wieder beim Punkt Kommunikation, der mir sehr wichtig ist: D.h. ein guter Wissenschaftler sollte seine Ergebnisse sowohl an seine Vorgesetzten mit Fachwissen als auch an Personen mit weniger Einblick in die Materie vermitteln können. 

Würdest du dich wieder für ein Chemiestudium an der TUM entscheiden und – wenn ja – warum?

Für mich war es die richtige Entscheidung und ich bin sehr glücklich, wie sich alles entwickelt hat- Insofern kann ich potenziellen Studierenden nur das Chemiestudium ans Herz legen. Allerdings habe ich sehr breit gefächerte Interessen und hätte mir ebenso vorstellen können, einen anderen Weg einzuschlagen, um beispielweise im künstlerischen oder geisteswissenschaftlichen Bereich zu arbeiten. Im Endeffekt hat mir damals mein Bauchgefühl gesagt, dass das Chemiestudium die richtige Entscheidung für mich ist.

Was würdest du unseren Studierenden raten, die den Einstieg in den Beruf noch vor sich haben? 

Ich würde den Studierenden raten, sich nicht gleich zum Berufseinstieg zu sehr unter Druck zu setzen. Es ist natürlich eine Idealvorstellung, direkt einen Job zu finden, der einem von Anfang an Spaß macht und erfüllt. Es schadet jedoch auch nicht, sich in den ersten Jahren umzusehen und zu orientieren, welche Art der Tätigkeit einem persönlich liegt. Im Zweifel kann man sich dann für eine andere Arbeitsstelle entscheiden. Nach meiner Einschätzung hat man mit einem abgeschlossenen Chemiestudium sehr viele Chancen und Möglichkeiten, eine erfüllende Arbeitsstelle zu finden. 

Könntest du bitte folgenden Satz vervollständigen: „Das Chemiestudium an der TUM hat mir…“

… den Weg zu einem erfolgreichen und erfüllten Leben gelegt. Es hat mir gezeigt, dass es sich lohnt durchzuhalten und das Studium bis zum Ende durchzuziehen. Die Erfahrungen und Lernprozesse, die ich dadurch gemacht habe, haben mein Leben nachhaltig positiv beeinflusst. 

 

Liebe Eva-Maria, vielen Dank für das schöne Interview!