Interview mit Prof. Florian I. Schmidt (in German)

Studium der Biochemie (B.Sc. und M.Sc.) an der TUM (Masterarbeit 2007 extern bei Prof. Paul Bieniasz, Rockefeller University, TUM-Betreuer: Prof. Hermann Schätzl) 

Promotion in Biochemie an der ETH Zürich bei Prof. Ari Helenius

Arbeitgeber: Universität Bonn – Institut für Angeborene Immunität

Lieber Florian, vielen Dank, dass du dir für ein paar Fragen zu deinem Studium der Biochemie an der TUM und deine nachfolgende Karriere Zeit genommen hast!

Warum hast du dich für das Biochemiestudium entschieden?

Mein Interesse an biologischer Forschung hat mich dazu motiviert, Biochemie zu studieren. Besonders angesprochen hat mich der damals neu eingeführte Biochemiestudiengang mit einem klaren Schwerpunkt auf Chemie. Neben der Exzellenz der TUM war dieser chemische Fokus entscheidend für meine Wahl. In der Schule hatte ich wenig fundierten Chemieunterricht, daher sah ich im Studium eine Chance, dieses Defizit auszugleichen und mein Wissen zu vertiefen. Besonders reizvoll fand ich, dass das Grundstudium gemeinsam mit den Chemiestudierenden stattfand, was eine starke chemische Basis vermittelte. Diese fundierte Ausbildung kommt mir heute noch zugute, da ich in einem biologischen Forschungsumfeld arbeite und chemische Grundlagen – etwa bei der Markierung von Proteinen – oft eine wichtige Rolle spielen.

Könntest du deinen bisherigen Studien- bzw. Berufsweg erläutern?

Nach meinem Biochemiestudium an der TUM und einer externen Masterarbeit an der Rockefeller University habe ich mich auf verschiedene Doktorandenprogramme beworben. Mein Hauptinteresse galt der Virologie, einem Fachgebiet, das mich schon immer besonders fasziniert hat. Diese Phase war herausfordernd, da die Vielzahl an Möglichkeiten und Programmen einen klaren Überblick erschwert. Schließlich wurde ich an der ETH Zürich bei Prof. Ari Helenius angenommen, dessen innovative Herangehensweise mich beeindruckte. Er nutzte Viren nicht für klassische Virologie, sondern als Werkzeuge, um Mechanismen wie die Endozytose und zelluläre Eintrittswege zu erforschen. Diese Perspektive hat meine wissenschaftliche Arbeit nachhaltig geprägt und bildet die Grundlage meines aktuellen Forschungsansatzes. Dabei hilft mir der „molekulare Blick“ auf die einzelnen Schritte, die mir an der TUM im Biochemiestudium „antrainiert“ wurde, sehr.

Nach meiner Promotion und einem Postdoc-Aufenthalt in den USA konnte ich dank der Förderung durch das Emmy Noether-Programms meine eigene Forschungsgruppe an der Universität Bonn aufbauen.

 

Die Arbeitsgruppe von Prof. Florian Schmidt untersucht molekulare Mechanismen der Entzündungsreaktion gegen Krankheitserreger. Um einzigartige Einblicke in die Funktion von Proteinen zu gewinnen, verwendet die Gruppe maßgeschneiderte Nanobodies aus Kameliden, um immunologische Signalkaskaden und ihre Effektoren in den reagierenden Zelltypen zu stören, sichtbar zu machen und letztendlich zu verstehen. Sie setzen Nanobodies und andere molekulare Werkzeuge ein, um zu erforschen, wie Virusinfektionen die Bildung von Inflammasom-Komplexen in verschiedenen Zelltypen, einschließlich primärer Zellen des Immunsystems, der Haut und intestinaler Organoide, auslösen. Um übergeordnete Prozesse zu erkennen, werden die unterschiedlichen Immunantworten auf eine Reihe von DNA- und RNA-Viren miteinander verglichen. Seit neuestem wird seine Forschung durch einen ERC Consolidator Grant gefördert.

 

Wie ist deine aktuelle Berufsbezeichnung bzw. dein Jobtitel und wie war dein Übergang ins Berufsleben?

Ich bin derzeit an der Universität Bonn als Professor (W2) für „Immunologie von Infektionen“ tätig am Institut für Angeborene Immunität der medizinischen Fakultät. Der Übergang ins Berufsleben? begann für mich mit dem Wechsel vom Studium zur Doktorarbeit – ein entscheidender Schritt, bei dem man lernt, eigenverantwortlich zu arbeiten und sich kontinuierlich selbst weiterzubilden.

Mein Karriereweg in der Wissenschaft verlief danach ganz organisch: von der Promotion über den Postdoc bis zur Leitung einer eigenen Forschungsgruppe und schließlich zur Professur in Bonn. Dabei musste ich immer wieder wichtige Entscheidungen treffen, oft auch mutige. Ich habe mich darauf konzentriert, das zu tun, was mir wirklich liegt und Freude bereitet. Natürlich gibt es in der Wissenschaft Herausforderungen, wie die Unsicherheit über eine langfristige Anstellung. Doch die exzellente Ausbildung, insbesondere an der TUM, öffnet zahlreiche Türen – nicht nur in der akademischen Forschung, sondern auch in der Industrie. Ich möchte Studierende ermutigen, sich auszuprobieren und keine Angst vor der Zukunft zu haben. Ein Biochemiestudium bietet eine breite Palette an Möglichkeiten, und man wird auf jeden Fall einen erfüllenden Berufsweg finden.

Was sind deine Aufgaben und wie sieht dein typischer Arbeitstag aus und was gefällt dir daran besonders gut?

Der Großteil meiner Arbeitszeit besteht aus Meetings – mit Mitgliedern meines Labors sowie mit bestehenden oder potenziellen Kooperationspartnern. Ein weiterer wesentlicher Teil meiner Tätigkeit umfasst das Verfassen von Publikationen, das Schreiben von Förderanträgen und administrative Aufgaben.

Trotz dieser Verpflichtungen versuche ich, mir Zeit für die praktische Laborarbeit zu nehmen – sei es, um zu unterstützen oder bestimmte Techniken zu demonstrieren. Diese Arbeit im Labor macht mir nach wie vor großen Spaß, und ich würde gerne wieder mehr Zeit dafür aufbringen. Darüber hinaus leite ich Masterkurse an der Universität Bonn, und die Lehrtätigkeit bereitet mir viel Freude. Es ist erfüllend, Studierende für die Forschung zu begeistern und sie an meiner Arbeit teilhaben zu lassen.

Was mich besonders an meinem Beruf fasziniert, ist die Freiheit, an Themen zu forschen, die mich wirklich interessieren, und die Unterstützung, die wir von staatlicher Seite und durch Kooperationen erhalten. Diese akademische Freiheit kombiniert mit einer gewissen Flexibilität im Arbeitsalltag ist ein großer Pluspunkt. Außerdem ist es inspirierend, mit motivierten jungen und erfahrenen Wissenschaftlern zusammenzuarbeiten. Trotz des hohen Arbeitspensums ist diese Dynamik eine der schönsten Seiten meines Berufs.

 

Die Universität Bonn zählt mit rund 30.000 Studierenden, 6.000 Promovierenden, 750 Professuren und 6.500 Beschäftigten zu den größten traditionsreichen und forschungsstärksten Universitäten in Deutschland. Ihr breites Fächerspektrum in ihren sieben Fakultäten reicht von den Agrarwissenschaften bis zur Zahnmedizin; zahlreiche Fächer nehmen im internationalen Wettbewerb eine Spitzenstellung ein. Neben starken Disziplinen bilden sechs fakultäts- und fächerübergreifende „Transdisziplinäre Forschungsbereiche“ zudem Explorations- und Innovationsräume, in denen zentrale wissenschaftliche, technologische und gesellschaftliche Herausforderungen adressiert werden.

 

Welche Kenntnisse und Fähigkeiten, die du heute im Job benötigst, hast du im

Studium/deiner Promotion an der TUM erworben?

Ein besonders prägendes Element war das wissenschaftliche Schreiben. Durch die zahlreichen Protokolle und Laborberichte während des Studiums habe ich gelernt, präzise und logisch nachvollziehbar Ergebnisse zu dokumentieren und Schlussfolgerungen aus Experimenten klar zu begründen. Diese Fähigkeit ist zentral für meine heutige Arbeit und etwas, das ich auch an meine Studierenden weitergebe.

Fachlich hat mich vor allem das tiefgehende molekulare Verständnis für biochemische Prozesse beeindruckt, kombiniert mit der inhaltlichen Breite des Studiengangs. Ich habe das Gefühl, dass kein anderes Studienfach mich besser auf meine heutige Tätigkeit hätte vorbereiten können.

Welche Veranstaltung(en) im Studium haben dich besonders geprägt?

Schon am ersten Studientag wurde der Grundstein für den besonderen Zusammenhalt unseres Studiengangs gelegt. Prof. Johannes Buchner hat uns bei Bier und Brezen miteinander bekannt gemacht, wodurch eine enge Gemeinschaft entstand, die uns durch das gesamte Studium getragen hat.

Ein weiteres Highlight war das Hans-Fischer-Symposium. Prof. Adalbert Bacher hat uns intensiv darauf vorbereitet, sodass wir die Inhalte wirklich verstanden. Er forderte zudem Eigenverantwortung: Den Stoff der Vorlesung sollten wir uns eigenständig mit dem Lehrbuch von Stryer aneignen, während er uns zusätzliche Themen näherbrachte. Diese Herangehensweise hat meine Eigenmotivation und Selbstständigkeit enorm gestärkt.

Auch die Veranstaltungen „Rezeption wissenschaftlicher Literatur“ und „Software und Datenbanken“ haben uns die Werkzeuge an die Hand gegeben, um aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse eigenständig zu erschließen. Besonders prägend waren außerdem die Vorlesungen zur Biotechnologie von Prof. Buchner und Prof. Skerra sowie die umfangreiche praktische Ausbildung. Die zahlreichen Laborkurse an der TUM vermittelten früh wichtige praktische Erfahrungen, die mir geholfen haben, die Theorie besser zu verstehen.

Was zeichnet für dich einen guten Wissenschaftler aus?

Ein guter Wissenschaftler sollte kreativ und neugierig sein, immer auf der Suche nach neuen Wegen, um unser Wissen zu erweitern und der Wahrheit auf den Grund zu gehen. Darüber hinaus ist es essenziell, Wissenschaft nicht nur zu betreiben, sondern auch zu kommunizieren und ihre Bedeutung für die Gesellschaft verständlich zu machen.

Würdest du dich wieder für ein Biochemiestudium an der TUM entscheiden und – wenn ja – warum?

Ja, ohne Zweifel! Das Biochemiestudium an der TUM war die perfekte Vorbereitung für meine akademische Laufbahn.

Was würdest du unseren Studierenden raten, die den Einstieg in den Beruf noch vor sich haben? 

Haben Sie Mut und vertrauen Sie darauf, dass Ihnen mehr Türen offenstehen, als Sie vielleicht denken. Folgen Sie Ihren Interessen und machen Sie sich nicht schon zu Beginn des Studiums Sorgen darüber, wo Sie in 20 Jahren stehen werden. Die Forschung und ihre Entwicklungen sind so dynamisch, dass viele spannende Möglichkeiten kurzfristig entstehen können. Neugierig bleiben und das tun, was Freude bereitet – so findet man seinen Platz.

Könntest du bitte folgenden Satz vervollständigen: „Das Biochemiestudium an der TUM hat mir…“

… viele Möglichkeiten im Leben eröffnet! Die Gemeinschaft im Studiengang war großartig. Es war zwar anstrengend, aber wir hatten auch sehr viel Spaß, sowohl im Studium als auch darüber hinaus.

 

Lieber Florian, vielen Dank für das schöne Interview!